02.09.2025
Großhändlerin Clara Hunnenberg: „Mitgestalten statt meckern“
Firmeninfos
Clara Hunnenberg führt gemeinsam mit ihrer Mutter Heike Hunnenberg den gleichnamigen regionalen Großhandel in Düsseldorf und kennt die Herausforderungen des Handwerks aus nächster Nähe. Im Interview mit FussbodenTechnik spricht die 32-Jährige über stagnierende Bauprojekte, politische Erwartungen und die Frage, wie der Großhandel überleben kann. Wie sie mit Herz, Haltung und digitalem Tatendrang dem Handwerk ein neues Gesicht geben will – und warum sie sich als Arbeits-Influencerin versteht, erzählt sie im Interview.
FussbodenTechnik: Frau Hunnenberg, warum engagieren Sie sich so sehr fürs Handwerk, dass Sie sogar in der Sendung von Markus Lanz dafür aufmerksamkeitsstark die Werbetrommel gerührt haben?
Clara Hunnenberg: Ich bin Unternehmerin in dritter Generation. Mein Großvater war Handelsvertreter in Düsseldorf, meine Mutter machte sich mit 23 Jahren selbstständig und gründete unsere Kettelei. Später übernahm sie die Firma meines Großvaters. Diese doppelte Herkunft ist heute Teil unserer Identität – wir stehen dadurch für 70 Jahre Familienunternehmen und 35 Jahre Kettelei. Nach meinem Eventmanagement-Studium bin ich schließlich in den Betrieb eingestiegen und habe zunehmend gemerkt, wie schwierig Nachfolge und Fachkräftegewinnung geworden sind – Themen, die mich stark bewegen. Denn wenn unsere Handwerker-Kunden keine Nachfolger finden, betrifft das auch uns. Das hat mich motiviert, öffentlich mehr Aufmerksamkeit auf Handwerk und Ausbildung zu lenken, unter anderem auch über einen Auftritt in der Fernsehsendung bei Markus Lanz.
FT: Wie kam der Kontakt zu Markus Lanz zustande?
Hunnenberg: Über einen Artikel auf dem Portal Focus Online, in dem ich mich kritisch zum Trend der Vier-Tage-Woche geäußert habe, der für Aufmerksamkeit sorgte. Ich war zunächst bei der TV-Sendung „13 Fragen“ im ZDF zu Gast. Danach kam die Anfrage von der Redaktion von Markus Lanz. Es war eine spannende Erfahrung für mich. Ich hatte mir für das Jahr vorgenommen, meine Komfortzone zu verlassen.
FT: Wie lautet Ihre Kritik zur Vier-Tage-Woche, die Sie auch bei Markus Lanz geäußert haben?
Hunnenberg: Die Forderung nach 32 Stunden Arbeit bei 40 Stunden Lohn halte ich im Handwerk nicht für umsetzbar. Viele Betriebe beschäftigen fünf bis zehn Mitarbeiter – da ist jede Hand entscheidend. Eine körperlich sehr anstrengende Arbeit über zehn Stunden am Tag durchzuhalten, halte ich für schwierig. Ich kenne viele, die sogar lieber sechs Tage je fünf Stunden arbeiten würden. Die aktuelle Idee von Wochen- statt Tagesarbeitszeiten halte ich stattdessen für sinnvoll – vor allem für Büroberufe oder Eltern. Mehr Flexibilität statt starrer Modelle bietet Vorteile.
FT: Wie lautete Ihre Hauptbotschaft in der Sendung?
Hunnenberg: Dass die Realität kleiner Betriebe oft ausgeblendet wird. Viele Chefs stehen selbst auf der Baustelle, kürzen sich ihr eigenes Gehalt, damit die Mitarbeiter fair bezahlt werden. Die Vorstellung, dass Unternehmer luxuriös auf Mallorca sitzen, während ihre Mitarbeiter schuften, ist schlicht falsch. Kleine Unternehmen tragen eine immense Verantwortung, besonders angesichts steigender Energiekosten, Steuern und Sozialabgaben. Viele finden nicht mal mehr Nachfolger oder Käufer für ihren Betrieb – das ist dramatisch, wenn der Verkauf als Teil der Altersvorsorge vorgesehen war.
FT: Wie steht es in Ihrem Unternehmen um das Thema Ausbildung?
Hunnenberg: Wir hatten immer Azubis, auch duale Studenten. Für dieses Jahr haben wir einen jungen Mann fürs Lager gefunden, im Vertrieb suchen wir noch. Drei ehemalige Azubis sind heute bei uns fest angestellt. Viele Bewerber kommen über Empfehlungen. Doch es wird schwieriger, gute Leute zu finden – gerade für die Ausbildung im Handwerk. Die meisten Bodenleger haben einen Migrationshintergrund und keinen Ausbilderschein. Und generell gilt eine Ausbildung oft als zweitklassig. Ich finde das falsch.
FT: Sie sprechen sich stark dafür aus, junge Menschen wieder für das Handwerk zu begeistern. Wie kann das konkret gelingen?
Hunnenberg: Ein zentrales Problem ist, dass Jugendliche kaum realistische Einblicke in den Arbeitsalltag und Berufe bekommen. Ich habe deshalb ein Konzept entwickelt: „Werkstattferien“ ist ein Projekt zur Nachwuchsförderung mit dem Ziel, junge Menschen frühzeitig für praxisnahe Berufswege zu begeistern. Dabei steht der direkte Kontakt zwischen Jugendlichen und Betrieben im Mittelpunkt – in einem Rahmen, der Schule, Eltern und Unternehmen gleichermaßen einbindet.
FT: Gibt es Unterstützung für Ihre Idee?
Hunnenberg: Der Düsseldorfer Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller ist sehr offen dafür. Ich werde eine Präsentation vorbereiten, um das Projekt in Zusammenarbeit mit der Stadt und interessierten Unternehmen zu starten. Ziel ist es, 2026 mit ein paar Betrieben und Schulen zu beginnen – in der Hoffnung, dass sich das Konzept langfristig etabliert.
FT: Die Ausbildungszahlen bei den Boden- und Parkettlegern sind seit Jahren rückläufig. Woran liegt das?
Hunnenberg: Die Situation ist sehr angespannt. Vor allem die Berufsschulen zeichnen sich durch marode Gebäude, veraltete Ausstattung und keinen Zugang zu neuen Technologien aus. Wenn man junge Leute erreichen will, muss man ihnen zeigen, wie cool der Beruf sein kann. Etwa mit iPads, Augmented Reality-Tools und Künstlicher Intelligenz – das kostet Geld, aber motiviert. Auch Social Media spielt eine Rolle: Wie stelle ich mein Unternehmen auf TikTok vor? Das alles kommt in der Ausbildung viel zu kurz. Häufig fehlt es an Hardware und auch an erfahrenem Lehrpersonal.
FT: Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie?
Hunnenberg: Viele Auszubildende im Handwerk haben einen Migrationshintergrund, oft mit geringen Deutschkenntnissen. Warum nicht zwei Stunden pro Woche Unterricht in Türkisch, Arabisch oder Polnisch anbieten – nicht anstelle von Deutsch, sondern ergänzend, um Chancengleichheit zu schaffen? In anderen Bereichen ist das längst üblich – warum nicht auch im Ausbildungssystem? Man kann in Deutschland seinen Führerschein in einer anderen Sprache machen. Ein Mitarbeiter von uns hat gerade seinen Angelschein auf Russisch gemacht. Nur im Ausbildungssystem ist man sehr an die deutsche Sprache gebunden.
FT: Was wünschen Sie sich von der neuen Bundesregierung?
Hunnenberg: Keine kosmetischen Maßnahmen wie einen 15-Euro-Mindestlohn, der in Wahrheit nur die Arbeitgeber belastet. Vielmehr brauchen wir echte Entlastungen – zum Beispiel mehr Netto vom Brutto, vor allem für Azubis und Geringverdiener. Auch beim Bürgergeld muss nachgebessert werden: Es darf nicht sein, dass sich Arbeit finanziell kaum lohnt, weil die Zuschüsse wegfallen. Wir brauchen eine Politik, die Arbeit wieder attraktiv macht – ohne die Kosten allein auf die Unternehmen oder Beschäftigten abzuwälzen.
FT: Wie erleben Sie aktuell die Baubranche?
Hunnenberg: Wir bekommen deutlich weniger Ausschreibungen als früher. In Düsseldorf gibt es zwar viele neue Hotel- und Büroprojekte, aber beim Wohnungsbau beobachten wir viele Baustopps – ganze Projekte mit mehreren Hundert Wohnungen stehen still. Trotzdem scheint sich langsam wieder etwas zu bewegen. Erste Baugenehmigungen werden wieder erteilt, man spürt vorsichtige Zuversicht.
FT: Sehen Sie die neue Bundesregierung als Hoffnungsträger für den Wohnungsbau?
Hunnenberg: Es muss sich etwas ändern, das ist Konsens. Wenn alles weiterläuft wie bisher, wird die Stimmung im Land noch schlechter. Nach einem ersten Dämpfer wegen der Schuldenbremse zeigen erste Maßnahmen von Bundeskanzler Friedrich Merz, dass Stabilität möglich ist. Ich hoffe, dass angekündigte Wohnungsbau-Initiativen wirklich umgesetzt werden. Beim Mindestlohn sehe ich das kritischer: Wir zahlen immer schon über Mindestlohn, aber viele kleine Betriebe könnten das nicht stemmen. Und am Ende steigen die Preise für alle. Da würde ich mir von der Politik mehr Aufklärung wünschen.
FT: In welchen Netzwerken engagieren Sie sich?
Hunnenberg: Wir sind in der Decor-Union, meine Mutter war lange dort im Beirat. Anfangs war ich skeptisch, was so ein Verband bringt – heute allerdings schätze ich den Austausch sehr. Im Next-Generation-Programm treffen sich junge Nachfolger halbjährlich, wir besuchen Betriebe, machen Seminare. Es geht um Themen wie Social Media oder Unternehmensstruktur. Der Austausch ist offen, wertfrei und nicht von Konkurrenzdenken geprägt. Das macht Spaß und bringt alle Beteiligten weiter.
FT: Wie sieht Ihre Nachfolgeplanung aus?
Hunnenberg: Meine Mutter ist erst 59, aber wir teilen uns schon auf: Sie kümmert sich mehr um die Manufaktur, ich übernehme zunehmend den Großhandel. Da sehe ich großen Handlungsbedarf. Die Industrie unterstützt den Großhandel kaum noch, viele umgehen uns und gehen direkt zum Kunden. Deshalb müssen wir uns neu aufstellen – gerade auch als Servicepartner für kleine Betriebe, viele mit Sprachbarrieren. Wir übernehmen bereits oft Endkundenberatungen.
FT: Das heißt, Sie verfolgen einen serviceorientierten Ansatz?
Hunnenberg: Ja, absolut. Bei uns gibt’s freitags Würstchen, im Winter mittwochs Waffeln – wir leben ein familiäres Miteinander. Damit kann man sich vom anonymen Onlinehandel abheben. Persönlichkeit wird künftig entscheidend sein. Wir bauen aktuell einen B2B-Onlineshop auf, damit unsere Kunden auch am Wochenende Lagerbestände einsehen und bestellen können. Viele können beim Kunden nichts abschließen, wenn ihnen Informationen zur Bestellung fehlen. Das ändern wir.
FT: Sie sind in Social Media sehr sichtbar. Sehen Sie sich als Influencerin?
Hunnenberg: (lacht) Vielleicht als eine Arbeits-Influencerin. Privatleben gehört für mich nicht ins Netz. LinkedIn finde ich dafür ideal. Das Handwerk ist sehr undigital – da erkläre ich schon mal, wie man einen iPhone-Kalender benutzt. Aber ich will nicht nur meckern, sondern mitgestalten. Wenn wir keine jungen Leute mehr fürs Handwerk gewinnen, fehlt bald die Basis für unser Unternehmen. Und es kann nicht sein, dass ein Maler aus Düsseldorf nach Frankfurt fahren muss – eigentlich sollte es doch in jeder Stadt genug Handwerker geben, um den Bedarf zu decken.
Hunnenberg im Überblick
Heike Hunnenberg GmbH
Pinienstraße 19
40233 Düsseldorf
Tel.: 02 11 / 97 78 50
info@hunnenberg.de
www.hunnenberg.de
Gründungsjahr: 1952 (Großhandel) und 1989 (Kettelei)
Mitarbeiter: 25 (15 Lager, 5 Vertrieb, 2 Buchhaltung, plus 2-3 Azubis/dual Studierende)
Geschäftsführerinnen: Heike & Clara Hunnenberg
Geschäftsfelder: Großhandel, Kettelei und Parkett-Showroom
Verbandsmitgliedschaft: Decor-Union
Region: maximal im Umkreis von 50 km (Düsseldorf, Neuss, Solingen bis Wuppertal)
Lagerfläche: 1.900 m
2
Eigenkollektion Bodenbeläge: Liberto
Industriepartner: Uzin & Kiesel (Bauchemie); Bona & Pallmann (Lacke & Öle); Project Floors, Objectflor & Gerflor (Beläge)
Der BTH-Heimtex Newsletter: Hier kostenlos anmelden