08.04.2024
Michael Schmid (VDP) im Interview: „Bodenhandwerker als Klimahelden“
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Die derzeitige Baukrise setzt der Bodenbranche zu, vor allem der Parkettindustrie. Michael Schmid, der Geschäftsführer des Parkettherstellers Jaso, ist seit 2011 Vorsitzender des Verbands der Deutschen Parkettindustrie (VDP). FussbodenTechnik sprach mit dem 49-Jährigen am Rande der Bundesfachgruppentagung Aus- und Weiterbildung, die Ende Februar 2024 am Jaso-Hauptsitz in Kippenheim stattfand.
FussbodenTechnik: Herr Schmid, wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Gesamtsituation der Boden- bzw. der Parkettbranche?
Michael Schmid: Die Situation ist sehr stark angespannt. Während der Corona-Pandemie herrschte in unserer Industrie Vollauslastung. Alle waren im Homeoffice und haben ihr Zuhause renoviert und saniert. Vor zwei Jahren begann dann dieser schreckliche Krieg in der Ukraine, der uns den Rohstoff Holz nahm. Gleichzeitig kam es weltweit zum Anstieg der Inflation, die letztendlich die Zins-Entwicklung vorantreibt. Die gestiegenen Zinsen schlagen natürlich auf die Baubranche voll durch, sodass alle baunahen Industrien momentan im Alarmmodus sind. Die genauen Umsätze und die Absatzzahlen der VDP-Mitglieder wissen wir noch nicht. Diese werden in den kommenden Wochen ermittelt.
FT: Können Sie schon einen Trend ausmachen?
Schmid: Wir gehen von einem allgemeinen Absatzrückgang aus. Die Landhausdiele ist in Deutschland teilweise um 50 % eingebrochen – andere Produkte etwas weniger, da gehen wir von Rückgängen in Höhe von rund 30 % aus. Dies deckt sich auch mit den Zahlen des Europäischen Parkettverbands (FEP). Der deutsche Markt ist sicherlich der schwierigste Markt in Europa.
FT: Woran liegt das?
Schmid: Zum einen an dem hohen Zinsniveau bei uns, das Investitionen stark ausbremst. Generell ist der deutsche Konsument etwas sensibler als der europäische. Viel Psychologie ist im Spiel. Wenn im Markt Angst herrscht, ist das dem Konsumverhalten sehr abträglich. Es ist ja nicht nur die Baubranche, die unter der Krise leidet, sondern auch der Einzelhandel. Die Leute haben Angst, überhaupt etwas von ihrem Geld auszugeben. Meiner Meinung nach sind da viele Ängste übertrieben.
FT: Wie schlägt sich Ihr Unternehmen derzeit?
Schmid: Unser Rückgang fällt nicht ganz so dramatisch aus. Wir hatten das Glück, dass wir um Kurzarbeit und Entlassungen herumkamen. Momentan sind wir mit unserer Auslastung relativ zufrieden. Aber natürlich könnten die Umsätze besser sein. Während der Corona-Pandemie haben wir zwei Jahre hintereinander Wachstumsraten von über 20 % erzielt. Jetzt verzeichnen wir wieder einen Rückschritt um die 30 %. Das ist aber immer noch ein höheres Niveau als vor der Corona-Zeit. In Hochzeiten lag unsere jährlich produzierte Menge bei 500.000 m
2, jetzt sind es etwa 380.000 m
2.
Unser Familienunternehmen ist sehr nah am Handwerker dran. Dieser bezieht sein Parkett direkt bei uns und nicht über den Großhandel. Handwerker sind in der Regel nicht sehr lagerhaltend und bestellen immer wieder nach – im Gegensatz zum Großhandel. In der momentanen Krisenzeit sind die Lager der Händler voll und diese werden die teuer eingekauften Produkte nicht los, weil die Bautätigkeit stark abgenommen hat.
FT: Was müsste aus Ihrer Sicht als VDP-Vorsitzender geschehen, damit sich die Lage wieder bessert?
Schmid: Der Wunsch der gesamten Industrie ist natürlich die Veränderung der Zinsen – diese sollten wieder etwas runtergehen. Grundsätzlich ist es meines Erachtens so, dass die konjunkturellen Aussichten für unsere Branche in Zukunft überhaupt nicht schlecht sind. Im Gegenteil: Eigentlich ist die Situation super, wenn man einmal an das überhastete Heizungsgesetz denkt. Wenn jetzt viele neue Fußbodenheizungen eingebaut werden, muss immer auch ein Bodenbelag oben drauf. Von daher sind wir relativ zuversichtlich, dass diese Entwicklung das Geschäft ankurbeln wird.
Zudem erhält die Bodenbranche Rückenwind durch das Thema Nachhaltigkeit, bei dem wir ja mit Parkett ganz vorne mit dabei sind. Parkett ist ein Produkt aus nachwachsenden Rohstoffen, das auch noch CO
2 speichert. Wir brauchen künftig vor allem mehr Zuversicht beim Endkunden. Die Bauherren müssen wieder mit dem Neubau oder der Renovierung beginnen.
FT: Wo sehen Sie Potenziale für das bodenlegende Handwerk? Was können Fachbetriebe tun, um die Krise als Chance zu nutzen?
Schmid: Grundsätzlich sehe ich für das deutsche Bodenhandwerk keine Anzeichen für eine schlechte Zukunft. Dies liegt an zwei Faktoren: Parkettleger können beim Thema Nachhaltigkeit punkten, da sie mit nachwachsenden und somit nachhaltigen Rohstoffen arbeiten. Das Bodenhandwerk liegt, was die Baubranche angeht, also voll im Trend. Der zweite Punkt ist der demografische Wandel. Experten gehen davon aus, das schätzungsweise 30 bis 40 % der heutigen Handwerksbetriebe aufgrund mangelnder Nachfolgeregelung in den nächsten fünf bis zehn Jahren schließen werden. Somit bleibt für die verbliebenen 60 bis 70 % genügend Arbeit übrig. Ich bin mir sicher, dass das Handwerk in Zukunft nicht nur goldenen, sondern vielleicht sogar diamantenen Boden hat.
FT: Wie vermitteln Sie diese positive Botschaft dem Handwerker?
Schmid: Unsere starke Botschaft kommunizieren wir durch unsere neue Dachmarke „Blackforest Woodfloors“. Durch diese unterstützen wir den Handwerker ganz stark mit unserem sogenannten Klimahelden-Programm. Wir stellen den Parkettleger öffentlichkeitswirksam so dar, wie er zukünftig agiert und arbeitet. Nur der Fachhandwerker schafft es, dem Produkt Parkett eine viel längere Lebenszeit einzuhauchen als wir Hersteller es vom Werk aus können. Die ganze Renovierung und Unterhaltspflege verlängern den Lebenszeitraum des Parkettbodens, sodass unser Produkt noch einmal viel besser wird. Im VDP haben wir die Diskussion zur Lebensdauer geführt: Wir gehen bei vielen Parkettböden von 150 Jahren aus. Dies gilt für Vollholz- und auch für Mehrschicht-Parkett.
Hervorzuheben ist die starke Arbeitsgemeinschaft zwischen dem VDP und dem Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF), um das Thema Lebensdauer und lebensverlängernde Maßnahmen zu definieren und in Form zu bringen. Es gibt ja von der EU die Vorgaben R0 bis R9 – nicht zu verwechseln mit den Rutschhemmklassen. Diese EU-Vorgaben definieren, wie ein Produkt entwickelt werden soll, wie es bei der Lebensdauer beeinflusst und gepflegt werden soll – und auch, wie es nachher zum Recycling und zur Wiederverwendung kommen soll. Diese Themen muss eigentlich jede Industrie, gerade bei Bauprodukten, definieren. Und da muss ich sagen, bin ich sehr stolz auf den VDP und den BVPF, weil wir wirklich Hand in Hand arbeiten.
FT: Könnten Sie das angesprochene Klimahelden-Programm Ihres Unternehmens einmal genauer vorstellen?
Schmid: Es ist eine Image-Kampagne, um dem Handwerker klar zu machen, dass er beim Thema Klimawandel bereits auf der richtigen Seite steht. Allein die Neuverlegung von Parkettböden speichert 10 kg CO
2 pro m
2. Dies ist nicht jedem Handwerker bewusst. Unser Team besucht seit drei bis vier Jahren unsere Kunden und verleiht ihnen regelmäßig Urkunden. Diese zeigen an, wie viel CO
2 der Verlegebetrieb jährlich dank unserer Produkte gespeichert hat. Die Urkunden werden dann in der Ausstellung ausgehängt. Jeder Handwerker ist stolz darauf, wie viel CO
2 er durch seine Arbeit gespeichert hat – und kann damit beim klimabewussten Endkunden punkten.
Der Parkettleger gehört auf der Baustelle zu den „Guten“ – in unseren Augen ist es ganz wichtig, dies klarzustellen. Das unterschätzen noch viele Parkettleger. Wenn die genannten EU-Vorgaben jetzt kommen, ist der Parkettleger der Schlüssel-Beruf auf der Baustelle und bei der Erhöhung der Lebensdauer des Produkts Parkett. Der Kfz-Mechaniker kann die Lebensdauer eines Autos nicht auf 150 Jahre erhöhen, der Parkettleger beim Boden aber schon.
Für Ausbildungsbetriebe ist dies eine große Chance, da viele junge Menschen derzeit bevorzugt klimafreundliche Berufe ergreifen. Das Bodenhandwerk sollte sich als attraktiver, grüner Zukunftsberuf darstellen – denn genau das ist es.
Vita Michael Schmid, VDP-Vorsitzender:
Der 49-jährige Michael Schmid ist seit Mai 2011 Vorsitzender des Verbands der Deutschen Parkettindustrie (VDP). Die im VDP organisierten Parketthersteller repräsentieren rund 90 % der deutschen Parkettproduktion. Auf seiner Website www.parkett.de informiert der VDP Fachleute und Endverbraucher über alles Wissenswerte rund um Parkett. Zudem ist Michael Schmid seit 2005 Geschäftsführer des Familienunternehmens Jakob Schmid Söhne (Jaso), einem Parketthersteller mit rund 70 Mitarbeitern aus dem baden-württembergischen Kippenheim im Ortenaukreis.
Das Interview führte Sebastian Musolf